KIEZBEBEN-Geschichten: Inter Mailand besiegt - in Homburg verloren
Freitag, 21. Juni 2019, 15:15 Uhr
Auf über 600 Quadratmetern erzählt die große Ausstellung KIEZBEBEN im FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade, wie der FC St. Pauli wurde, was er heute ist: "Die zweite Geburt des FC St. Pauli", so der Untertitel der Ausstellung. Aufwändig inszeniert und recherchiert, lässt sie ihre Besucher braun-weiße Geschichte und Geschichten neu erleben – mit etlichen Original-Ausstellungsstücken, in Film, Foto und Text. Einige der schönsten KIEZBEBEN-Stories erzählen wir hier auf www.fcstpauli.com. Diesmal erzählen wir die Geschichte eines Jubiläumsspiels, das direkt aus Thees Uhlmanns "Das hier ist Fußball" stammen könnte: "Tragik ist wie Liebe – ohne Happy End..."
Eigentlich sah die braun-weiße Welt 1985 – zum offiziell 75. Vereinsgeburtstag – schon um einiges besser aus als 1980: Auf den Trümmern des Erstliga-Abstiegs von 1978 und des Lizenzentzugs von 1979 hatte sich in der 3. Liga der Kern einer neuen Mannschaft gebildet, die noch Furore machen sollte. Das zeichnete sich auch 1984 ab, als der FC St. Pauli rechtzeitig zu seinem Jubiläumsjahr in die 2. Bundesliga aufstieg.
Entsprechend fielen die Planungen fürs Jubiläum etwas größer aus. Hatte es 1980, zum 70. Geburtstag, gerade einmal ein kleines Fußball-Jugendturnier gegeben, sollte zum 75. ein ganz besonderer Gegner für ein Jubiläumsspiel her. Es kam: Inter Mailand.
Ein Goliath des internationalen Fußballs, ein Kader voller Nationalspieler, darunter die "Fußball-Legionäre" Karl-Heinz Rummenigge und Hansi Müller. Auf der andere Seite der gerade erst aus der 3. Liga aufgestiegene FC St. Pauli mit einem jungen und unerfahrenen Kader. Da sollte das Ergebnis doch eigentlich nur Formsache sein ...?
Mag sein, dass Rummenigge und Co. nicht wirklich bis in die Haarspitzen motiviert waren, als sie an jenem 30. Mai 1985 aus dem Mannschaftsbus stiegen, bedrängt von Autogrammjägern und mit einer langen Saison in den Knochen. Schließlich handelte es sich "nur" um ein Freundschaftsspiel gegen einen Gegner, der fünf Tage zuvor in der 2. Bundesliga gegen die Kickers Offenbach nicht über ein 0:0 hinausgekommen war.
Doch was dann geschah, hatte niemand erwartet: Nach 90 Minuten gingen die St. Paulianer als Sieger vom Platz. Gegen den zum damaligen Zeitpunkt 12-fachen italienischen Meister. Dank Toren von Dahms und Ruländer und vor 5.100 Augenzeugen. "Auf dem Rückweg wurde ich gefragt, wie es denn ausgegangen wäre", erzählt Rainer Wulff, ab 1986 Stadionsprecher: "Ich: ‚2:1. Für uns!‘ Antwort: ‚Verarschen kann ich mich auch alleine!‘"
Doch leider: Das Wunder vom 30. Mai half beim Kampf um den Klassenerhalt nicht weiter. Die Saison nämlich war zum Zeitpunkt des Jubiläumsspiels keineswegs zu Ende. Und in der lief es längst nicht so gut wie gegen die italienische Meistertruppe.
Wie singt doch Thees Uhlmann? "Bayern besiegt – in Chemnitz verloren / ich hör noch die Chöre in meinen Ohren." Ähnlich war es 1985: "Mailand besiegt – in Homburg verloren". Denn gegen Gegner wie Union Solingen (1:5), Alemannia Aachen (0:4), Hessen Kassel (4:5) oder eben den FC Homburg (1:3) lief es schlecht, besonders in der Hinrunde.
Das war am Ende nicht mehr aufzuholen. Und so stand nur zwei Spieltage nach dem 2:1 gegen Inter Mailand der Abstieg des FC St. Paul in die 3. Liga fest. Besiegelt wurde er mit einem 1:1 gegen den VfR Bürstadt. Allerdings: Schon kurz nach diesem Abstieg endete das Vorbeben – und ein wahres KIEZBEBEN begann ...
Wollt Ihr mehr über die zweite Geburt des FC St. Pauli und ihre Vor- und Nachgeschichte erfahren? Dann lasst euch die einmalige Ausstellung in der Gegengerade nicht entgehen!
KIEZBEBEN. Immer Mittwoch und Freitag von 12 bis 20 Uhr, Donnerstag von 12 bis 22 Uhr (KIEZBEBEN-Nächte) sowie Sonnabend und Sonntag von 11 bis 19 Uhr im FC St. Pauli-Museum (Heiligengeistfeld 1). Hin da, es lohnt sich!
Mehr Infos:
Text: 1910 e.V.
Fotos: Witters / Sammlung Brosig im Archiv 1910 e.V. / Sabrina Adeline Nagel