"Es ist eine große Entscheidung"
Sonntag, 15. November 2020, 14:00 Uhr
Der FC St. Pauli geht mit der Produktion seines eigenen Trikots und der eigenen Teamsportkollektion neue Wege. Wie kam es zu dieser Entscheidung und welche Vorteile hat dieser Weg für den Verein? Wir sprachen mit den Geschäftsleitern Bernd von Geldern und Martin Drust über dieses große Projekt.
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Hallo Bernd. Was hat Euch geritten, das Trikot und die Sportkollektion für 2021/22 selbst zu produzieren und herauszubringen?
von Geldern: "Es ist ein Thema für den gesamten Verein und nicht nur fürs Merchandising. Es ist eine große Entscheidung, die wir getroffen haben. Beseelt von der Mitgliederversammlung 2016, dass wir fair und nachhaltig produzieren sollen. Wir haben versucht, uns dem Thema ernsthaft zu nähern und haben die AG Nachhaltigkeit gegründet. Für diese AG konnten wir auch die Expertin Carina Weh für uns gewinnen, die seit 2019 zum Thema Nachhaltigkeit in unserer Merchandisingabteilung dabei ist. Wir haben eineinhalb Jahre, also mit viel Vorlauf, der auch nötig ist, an dem Projekt gearbeitet und geschaut, ob es umsetzbar ist. Jetzt sind wir uns sicher: Wir werden die nachhaltigste Teamsport-Kollektion der Welt auf den Markt bringen."
Moin Martin! Einmal für alle. Was bedeutet DIIY?
Drust: "Das bin ich schon oft gefragt worden. Der Kern des FC St. Pauli ist das Selbermachen oder neudeutsch DIY – do it yourself. Tatsächlich ist das auch der Kerngedanke dieser Marke. Nicht immer nur zu meckern, dass ein Ausstatter nicht gut genug ist oder uns nicht nachhaltig genug ausrüsten kann, sondern zu sagen, wenn wir das nicht am Markt kriegen, machen wir es selbst. DIY kann man leider als Marke nicht schützen und so war es ein Einfall zu sagen, wir fügen einfach noch ein "I" dazu. In der langen Version heißt es eigentlich "Do it improve yourself", die verwenden wir aber nicht, sondern gehen davon aus, dass sich DIIY in den Sprachgebrauch übertragen wird. Damit die Leute verstehen, dass wir den Mut haben, dieses Thema selbst in die Hand zu nehmen."
Alles muss man selber machen, nun also auch das Trikot. Warum passt dieses DIY-Ding so gut zu uns als Verein?
Drust: "Tatsächlich passt es deshalb so gut, weil der FC St. Pauli ein Klub des Machens ist. Was wir haben, ist entstanden, weil sich Leute engagiert haben und sich leidenschaftlich für etwas eingebracht haben, das ist der ganze Gedanke dieses Vereins. Wir versuchen im Marketing diesen Zustand beizubehalten, dass Leute sich aufgefordert fühlen, kreativ zu sein. Deswegen bringt uns das als Marke FC St. Pauli extrem weit, weil es diesen Gedanken stärkt und in eine Aktion umwandelt. Nicht nur dagegen, sondern auch Aktivist zu sein. Insofern ist das ein wichtiger Baustein in der Weiterentwicklung des FC St. Pauli."
Unternehmerisch ist der Ansatz, die Produktion selbst in die Hand zu nehmen natürlich auch mit Risiken verbunden. Wie war dahingehend der Entscheidungsprozess?
von Geldern: "Wir treffen als Gesamtverein eine selbstbewusste, kräftige und unternehmerische Entscheidung. Natürlich kommt man in Corona-Zeiten noch mal ein bisschen ins Wanken. Nimmt man doch das sichere Geld eines Ausstatters oder geht man das Risiko. Wir haben entschieden, das Thema als Gemeinschaft und als gemeinschaftliche Aktion mit den Mitarbeiter*innen, mit den Mitgliedern, mit den Fans und mit den Interessengruppen anzugehen. Wir gehen in einen Vorverkauf, das mindert das unternehmerische Risiko. Es wird aber natürlich eine riesen Belastung u.a. für Lager und Onlineshop, wir gehen es aber mit sehr großer Freude und großen Optimismus an."
Der Zeitpunkt Eurer Entscheidung fällt mitten in die laufende Saison, was eher ungewöhnlich ist.
von Geldern: "Alles an dem Projekt ist ungewöhnlich. Dass wir es mitten in der Saison machen und auch dass wir in den Vorverkauf gehen. Ungewöhnliche Zeiten brauchen ungewöhnliche Mittel. Es ist ein klares unternehmerisches Signal. Wir wollen Werte schaffen und dafür muss man auch mal einen ungewöhnlichen Weg gehen. Wir sind uns mit Präsidium und Aufsichtsrat einig, dass wir nicht mehr warten und tatenlos zuschauen wollen, bis diese Pandemie irgendwann vorbei ist. Wir wollen nicht wie ein Krebs auf dem Rücken liegen, sondern kräftig dagegenhalten. Wir wollen selber anpacken und alles dafür tun, dass wir aus dieser Krise stärker rausgehen, als wir reingekommen sind."
Neben dem Aspekt der Unabhängigkeit ist Nachhaltigkeit das große Thema des Trikots und der ganzen Idee.
Drust: "Der FC St. Pauli wird im Moment als Rebell wahrgenommen. Wir wollen das weiterentwickeln zum Aktivisten, also vom gegen zu für etwas sein. Zu dieser veränderten Welt gehört natürlich auch das Thema Nachhaltigkeit, was viel mehr ist als ökologische Nachhaltigkeit. Es geht auch um soziale Nachhaltigkeit, um Transparenz und Fairness, was alles Sachen sind, die sehr gut zum FC St. Pauli passen. Deswegen glaube ich, ist es ein wichtiger Schritt für den FC St. Pauli, der sie auch weiterentwickeln wird. Es ist kein Marketing-Thema, was sich einer ausgedacht hat, wir müssen alle miteinander ressourcenschonender leben und deswegen ist es ganz klar, dass wir uns in diese Richtung entwickeln."
Neben dem Trikot produzieren wir auch unsere Teamsportkollektion selbst. Das alles unter dem großen Aspekt der Nachhaltigkeit. Refinanziert sich das überhaupt?
von Geldern: "Wir sagen nicht, dass es das nachhaltigste Trikot wird, sondern die nachhaltigste Teamsport-Kollektion mit allen 55 Artikeln, die wir herausbringen werden. Von Stutzen bis zur Regenjacke machen wir alles selbst. Schon bei der Umstellung der Produktion der Totenkopf-Shirts auf Fairtrade und GOTS haben wir bewiesen, dass es ohne Preiserhöhung geht, wenn man es clever macht. Wir haben die Produktionsstandorte gewechselt und weitere Dinge justiert. Wir wollen es nicht als Ausrede gelten lassen, alles teurer machen zu müssen. Es werden Kosten entstehen, aber das ist unsere Haltung zu dem Thema. Deshalb hoffen wir ja auch, dass es Nachahmer geben wird, die verstehen, dass es nicht nur ein Fußballtrikot ist, sondern auch ein Statement."
Welche Vorteile hat der Verein dadurch nicht mehr mit einem großen Partner zusammenzuarbeiten?
Drust: "Beim Thema Ausrüster kannst du es nie allen recht machen. Bei Under Armour haben wir es am eigenen Leib erfahren, dass es viele Reaktionen hervorrufen kann. Wobei man sagen muss, dass sie für uns ein sehr guter Partner waren, weil sie ein sehr gutes Produkt hergestellt und wir Einfluss auf das Design der Produkte nehmen konnten. Das ist nicht selbstverständlich. Wir erhoffen uns mit der neuen Marke noch mehr Eigenständigkeit und mehr Möglichkeiten. Da glauben wir schon, dass wir in Zukunft viele interessante Sachen machen können, die noch mehr Partizipation ermöglichen. Insofern ist auch das vor dem Hintergrund wirklich eine gute und richtige Entscheidung, das jetzt selbst zu machen."
(lf)
Foto: FC St. Pauli